Das „Macher Festival“ der „Real Life Guys“

Missionierung christlicher Fundamentalist*innen zwischen Bohrmaschinen und Monster-Cars?

Vom 07. bis 10.08.2025 fand nördlich von Leipzig zum zweiten Mal das sogenannte Do-It-Yourself & Handwerker-Macher Festival des Projekts The Real Life Guys in Kooperation mit zahlreichen Unternehmen aus dem Bau- und Heimwerkergewerbe statt. Das Ferropolis-Gelände wurde dazu in einen riesigen Abenteuerspielplatz verwandelt.

Wer die Geschichte der Real Life Guys und ihr Engagement in der christlich-fundamentalistischen Szene kennt, wird eine dementsprechende „christliche“ Ausrichtung des Festivals zunächst trotzdem allenfalls am Rande finden. Bei genauerer Betrachtung, scheint das Festival aber durchaus auch als „Missionsfeld“ dienen zu sollen…

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Nach 2024 veranstalteten die Youtuber The Real Life Guys nun zum zweiten Mal das DIY & Handwerker-Macher-Festival in Gräfenhainichen auf der Halbinsel des Ferropolis-Gelände. Mit zahlreichen Partnerunternehmen wie Abus, Bosch, Hailo, Hornbach u.v.m. versprach das Macher Festival ein actionreiches Wochenende bei besten Sommertemperaturen, dessen Fokus auf Spaß, Erlebnis und Abenteuer liegt.

Strategische Partnerschaft zur Förderung des Branchennachwuchses?

Das Ganze soll allerdings offenbar auch einen wirtschaftpolitischem Zweck dienen: Erst letzten Monat gingen der Zentralverband Deutsches Baugewerbe und die Real Life Guys eine strategische Partnerschaft in den Bereichen Fachkräfte und Branchennachwuchs ein.

Laut einer hierzu veröffentlichten Pressemitteilung soll die Partnerschaft dazu dienen, die vielfältigen Möglichkeiten einer Ausbildung im Bauhandwerk sichtbar zu machen. Die Real Life Guys seien durch spektakuläre Eigenbau-Projekte wie U-Boote aus Badewannen oder selbstkonstruierte Fluggeräte bekannt, erreichten allein auf YouTube fast zwei Millionen Abonnenten und sprächen mit ihrem DIY-Ansatz gezielt eine junge Zielgruppe an.

Doch beim Projekt der Real Life Guys geht es um mehr…

Die Glaubensgeschichte der Real Life Guys

Tatsächlich ist die Erfolgsgeschichte der Real Life Guys und ihr großer Erfolg bemerkenswert. Wer sich mit dieser aber etwas näher befasst, wird schnell feststellen, dass es dabei um deutlich mehr als actionreiche Youtube-Videos und waghalsige DIY-Aktionen geht. Denn Johannes Mickenbecker, der das Projekt The Real Life Guys zunächst mit seinem Zwillingsbruder Philipp und seiner Schwester Elli startete, ist die Vermittlung seines tiefen christlichen Glaubens sehr wichtig.

Zwar wuchsen die Mickenbeckers bereits in einer streng christlichen Familie auf. Die Eltern unterrichteten ihre Kinder in der Grundschulzeit selbst, da es ihnen wichtig war, dass alle Dinge in Verbindung mit dem Glauben geschehen. Den Weg zum persönlichen Glauben fand Johannes nach eigenen Angaben aber erst nach dem plötzlichen Tod seiner Schwester und während der Krebserkrankung seines Zwillingsbruders Philipp.

Philipp war sich nach seiner Erkrankung zunächst sicher, dass Gott ihn heilen wird. Mit seiner Zuversicht, die er in seinem Glauben fand, war er gefragter Gast in zahlreichen Talkshows und auf christlichen Events, insbesondere in der freikirchlichen Szene. Die letzten Monate seiner Krankheit – bis hin zu seinem Verbluten auf dem Krankenbett – wurden in der Dokumentation „Philipp Mickenbecker: Real Life“ festgehalten (und kein noch so intimer Moment ausgelassen). Kurz nach dem in der Doku festgehaltenem Moment des Sterbens von Philipp verkündet einer der anwesenden (letzten nicht christlichen) Freunde: „Ich lass mich taufen“.

Bereits Anfang 2024 berichtete die taz über die zunehmend (subtil) missionarischere Ausrichtung der Real Life Guys und das schließlich 2020 mit Christopher Schacht, damals in Ausbildung zum Pastor und Missionar am theologischen Seminar des Bundes freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP), gegründete Projekt Life Lion.

Wer sich auf der Webseite von Life Lion umschaut, erkennt schnell das klar evangelikal christlich-fundamentalistische Profil: Im Podcast finden sich Gespräche mit der eng mit dem rechten Influencer „Ketzer der Neuzeit“ verbundenen Jasmin Friesen (damals noch Neubauer) ebenso wie mit dem Prediger Henok Worku von der Vive Church, der auf einer Holy Spirit Night von neuen Bücherverbrennungen träumte. Auch der Youtube-Kanal von Life Lion mit 300.000 Abonent*innen bedient die geradezu „klassischen“ Themenfelder der Szene, wie „rituelle Gewalt“, Satanismus, Abtreibung, „Zwangsprostitution“, Wunder uvm.

Wo versteckt sich „Gott“ beim Macher Festival?

Von all dem bemerkt man bei der Bewerbung und auf der Homepage des Macher-Festivals zunächst nichts. Lediglich für den Sonntagmorgen wird ein Gottesdienst („Sunday Church“) angeboten.

Blickt man auf die Rezensionen des Events im vergangenen Jahr zurück, findet man auch einige kritische Kommentare:

Ansich ein tolles Festival. Schade, dass es so christlich gehalten ist, auch das Bühnenprogramm. War auf der Webseite nicht zu lesen. Werde nicht mehr hin gehen.

Ein weiterer Kommentar sieht dies offenbar weniger tragisch:

Klasse Sache. Etwas sehr christlich angehaucht aber alles im Rahmen des erträglichen. Freut euch schon auf nächstes Jahr.

Bei den auftretenden Bands ist „Gott“ omnipräsent…

Schaut man allerdings auf die auftretenden Bands, so wird die christlich-fundamentalistische Ausrichtung doch sehr deutlich:

Wenig überraschend finden sich darunter die O’Bros, die mit den Mickenbeckers befreundet sind, und über die in den letzten Wochen bereits ausführlich kritisch berichtet wurde (übrigens ohne, dass sich Alexander Oberschelp bisher dazu positioniert hätte, warum er dieses Jahr zum zweiten Mal an der rechtslibertären Konferenz der Alliance for Responsible Citizenship (ARC) teilnahm…).

Des Weiteren die ebenfalls sehr erfolgreiche christliche Lobpreisband Good Weather Forecast, die gemeinsam mit Elijah Thomas Appel auftrat. Appel gehört, ebenso wie Pala Friesen – Ehemann der bereits erwähnten Jasmin Friesen – und Mia Friesen, zur Outbreakband, die ebenfalls der christlich-fundamentalistischen Lobpreis-Band-Szene zuzurechnen ist.

Subtile Missionierung funktioniert eben immer noch am besten über auf den ersten Blick modern wirkende Musik (wer achtet schon auf die Texte?)… Wer an den Bands Gefallen findet, findet sich dann bei einem nächsten Konzert vielleicht schon bei deutlich radikaler ausgerichteten Veranstaltungen wie der UNUM24, der Holy Spirit Night oder einem Gottesdienst des katholischen Theologen Johannes Hartl wieder…

Über Umwege: „Bock auf missionieren?“

Abgesehen davon, scheint den verantstaltenden Real Life Guys bzw. genauer genommen der eigens hierfür gegründeten Macher Festival GmbH aber sehr daran gelegen, den Eindruck eines christlich ausgerichteten Festivals in der Außendarstellung vermeiden zu wollen.

Stattdessen verfolgt man das Anliegen, den „christlichen Glauben“ bei dieser Gelegenheit zu verbreiten, offenbar über Umwege:

So berichtete eine Gruppe der christlich-fundamentalistischen Organisation Campus für Christus (ursprünglich gegründet unter dem Namen „Campus Crusade for Christ“ und u.a. kritisiert für ihre Position zu Konversionsbehandlungen) bereits zum letztjährigen Macher Festival, dass sie von den Real Life Guys eingeladen wurden. Und zwar, so heißt es bei der Gruppe „The Four“ auf ihrer Webseite, „um mit Menschen über Gott und den Glauben zu sprechen – das, was wir am liebsten machen – wie cool ist das denn bitteschön?“.

The Four zeigte sich schon im letzten Jahr begeistert:

Da konnten wir hervorragend mit den wartenden Leuten ins Gespräch über die vier Symbole kommen – sie hingen uns richtig an den Lippen und man konnte mit Jesus “relaten”, als er von einem Boot aus zu den Menschen predigte. […]

Wir brachten auch den Living Bus mit einer Zehnstündigen Fahrt als evangelistischer Begegnungsort mit und bauten kurzerhand einen Kirchen-Aussichtsturm dazu – die Festival-Chappel war perfekt im Herzen des Campings platziert. […]

Also ging es weiter, wir hielten mehrere Evangelistische Inputs mit konkreten Aufrufen, Jesus kompromisslos nachzufolgen. Viele Menschen beteten ein Hingabegebet mit und einige entschieden sich für ein Leben mit Jesus. Irgendwann tauchten die O’Bros und Real Life Guys als Special-Acts auf und wollten den letzten Abend so richtig Party machen mit den Leuten. Doch nach fünf Minuten verabschiedeten sie sich wieder und meinten: „Macht ihr weiter, das passt irgendwie grad nicht in die Atmosphäre hinein.“ Und so wurde aus einer halben Stunde drei (!) Stunden Lobpreis und für viele fühlte es sich an wie Himmel auf Erden! Der Techniker meinte begeistert, dass 1000 Leute da waren. […]

Die Nächte waren kurz, der Schlaf wenig, die Reise lange und die Materialschlacht gross! Aber es hat sich mehr als gelohnt! Crazy, was Gott uns hier ermöglicht hat. Wir sind bereits wieder angefragt für nächstes Jahr.

Und tatsächlich, auch dieses Jahr ist The Four wieder beim Macher Festival vor Ort. Auf seiner Webseite sucht The Four nach Unterstützer*innen für den Missionseinsatz:

Hast du Bock, an dieser wilden Location Jesus gross zu machen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie du deine Gaben und Fähigkeiten voll im ganzen Team einsetzen kannst. Wir brauchen jeden und sind sehr gespannt, was Gott dieses Jahr grosses vorbereitet hat. […]

Du kannst dich hier für den Aufbau, das Outreach Camp oder beides anmelden. Erlebe eine unvergessliche Zeit mit Gemeinschaft, Worship, gemeinsamer Gebetszeit und vieles mehr…

Während des diesjährigen Festivals ist The Four offenbar mit einem sogenannten „Living Bus“ aktiv und verteilt „Gewinn des Lebens“-Karten am Glücksrad. Verteilmaterial wie Bibeln und sonstige Traktate wurden offenbar rege verteilt.

Und so findet sich dann neben Monstertrucks und viel Feuerwerk dann doch noch ein Kirchturm mit der Aufschrift „Sprich mit Gott“ auf dem Gelände…

Bilder von der Instagram-Seite des Macherfestivals: Bühne mit Feuerwerk, Monstertrucks, ein aufgebauter Kirchturm

Ein anderer Teil der Gruppe von The Four ist währenddessen zeitgleich beim Missionseinsatz der Organisation ReachMallorca am Ballermann – mit „Heilungsgebeten“ und „Dämonenaustreibungen“ der Christfluencerin Rose de Jesus

Auch eine weitere Missionsorganisation hat sich auf den Weg zum Macher Festival gemacht: Das „Evangelisationsteamsuchte auf seiner Webseite ebenfalls nach jungen Leuten als willige Missionare:

Wen suchen wir?

Junge Leute zwischen 18 und 28 Jahren & offen, extrovertiert & herzlich

Bock auf Gespräche mit Eltern, während ihre Kinder bauen

Geschickt – denn vermutlich werden die meisten Eltern beim Aufpassen auf ihre Kinder also nicht weglaufen können. Obwohl es dazu sicher Anlass gäbe, wenn man sich die Inhalte auf der Seite des Evangeliumsdienst ansieht:

In einem auf der Webseite veröffentlichten Rundbrief wird z.B. vom letzten Bibelseminar und den dortigen Predigten des Bremer Pastors Olaf Latzel aus der Bremer Gemeinde St. Martini berichtet. So müssten Christen laut Latzel „in einem Land, das zunehmend Gottes Ordnungen ablehnt, aufstehen und für diese einstehen„. Unter „Gottes Ordnung“, so führt der Bericht weiter aus, sei „die staatliche Ordnung, die Ehe und die biblische Vorstellung von zwei Geschlechtern“ zu verstehen. Erst vor Kurzem wurde ein wegen Volksverhetzung geführtes Verfahren gegen Olaf Latzel gegen Auflagen eingestellt, seine Bezüge von der Landeskirche gekürzt.

Der perfekte Einstieg in die hippe Rückschrittlichkeit des Evangelikalismus…

Und so bleibt zum Ende dieses Artikels, der mit einem scheinbar harmlosen DIY & Handwerker Event begann und damit endet, wie dieses Event offenbar subtil und manipulativ zur Werbung für christlich-fundamentalistische Ideologien genutzt wird, das gleiche Resümee, wie es die taz in oben bereits erwähnten Artikel bereits vergangenes Jahr formuliert hat:

[D]ie „Real Life Guys“ machen die Szene, die sonst oft in ihrer eigenen christlichen Blase stecken bleibt, zugänglich. Weil sie bei Reizthemen wie dem biblizistischen Weltbild, Purity-Culture und Homosexualität vage bleiben, bilden sie den perfekten Einstieg in die hippe Rückschrittlichkeit des Evangelikalismus.

Doch vage bleiben im öffentlichen Auftritt heißt offenbar nicht, dass entsprechende Positionen nicht radikal vertreten und durchzusetzen versucht werden.

Was sagen eigentlich der Zentralverband Deutsches Baugewerbe und die unterstützenden Unternehmen dazu, dass sie diesen „Einstieg in die hippe Rückschrittlichkeit des Evangelikalismus“ fördern?

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